Dennys Bornhöft zu TOP 33 „Covid-19 wirkungsvoll eindämmen – Impfungen weltweit ermöglichen“
„Das Corona-Virus hat uns gezeigt, wie fragil unsere Gesellschaft und Volkswirtschaft sein können. Es hat den Wert von Gesundheit und den Wert eines gut ausgestatteten Gesundheitssystems ganz deutlich gemacht. Es hat uns gezeigt, dass Wirtschaft, Bildung und Entwicklung zum Erliegen kommen können.
Das Virus hat uns aber noch etwas anderes gezeigt. Es hat uns gezeigt, wie es um den Multilateralismus bestellt ist, wenn es um Existenzen geht. Das Virus hat Gräben zwischen den Länder aufgerissen, selbst innerhalb der Europäischen Union, teils sogar innerhalb der Bundesrepublik oder gar innerhalb eines Bundeslandes. Das solidarische Verhalten, dass wir im Kleinen vor Ort erlebt haben – Einkaufshilfen für ältere Menschen oder Angehörige des Gesundheitssystems, zwei Familien, die sich bei der Beaufsichtigung ihrer Kinder abwechseln und Unterstützungsaktionen für Gastronomie und Kultur – ist im Großen, also im internationalen Kontext, zumindest zeitweise gescheitert. Impf-Nationalismus ist ein treffender Begriff, der sich unter Gesundheitsexperten hierfür etabliert hat. Frei nach dem Motto ‚Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht‘ haben sich die Länder zunächst mit der Bekämpfung im eigenen Land beschäftigt.
Ich bin überzeugter Europäer und träume davon, dass die europäische Union irgendwann zu einem europäischen Bundesstaat wird. In der Pandemie hat sich doch leider gezeigt, wie weit wir davon noch entfernt sind. Grenzkontrollen, Paare, die sich monatelang nicht gesehen haben, Güter, die beim Transfer durch die EU beschlagnahmt wurden – die Liste der Dinge, die nicht funktioniert haben, ist lang. Umso mehr freut es mich, dass die EU nun langsam wieder auf einen gemeinsamen Weg zurückfindet. Eine globale Pandemie kann nur global bekämpft werden. Oder anders: Niemand ist sicher, bis alle sicher sind. Was Experten der WHO sagen, klingt nicht nur nachvollziehbar, sondern ist auch epidemiologisches Grundlagenwissen. Solange wir es nicht gemeinsam schaffen, die Welt flächendeckend zu immunisieren, indem wir eine länderübergreifende Herdenimmunität aufbauen, wird das Virus weiter in der globalen Bevölkerung zirkulieren und weiter mutieren. Dem müssen wir gemeinschaftlich, von der Nord- bis zur Südhalbkugel, entgegenwirken.
Wir begrüßen daher in diesem Antrag ganz ausdrücklich, alle europäischen Initiativen, die dazu beitragen, das Virus überall zu bekämpfen. Dazu gehören die Beschaffung von Impfdosen und deren Verteilung. Wir erleben es durch sinkende Inzidenzen trotz der generellen Lockerungen vor Ort: Impfungen sind der Weg aus der Pandemie. Deswegen brauchen wir ausreichend Impfdosen nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Zum einen geht es hierbei natürlich um Produktionskapazitäten. Hier sind wir auf einem guten Weg und werden auch immer besser. Wie wichtig beim Impfen aber auch eine entsprechende Verteilung ist, erleben wir in Schleswig-Holstein mit den Impfdosen von AstraZeneca, die wir aus Dänemark bekommen haben. Ein gutes Verteilsystem ist unabdingbar, um dafür zu sorgen, dass Impfdosen auch in den Arm eines ‚Noch-nicht-Geimpften‘ kommen, bevor die Haltbarkeit abläuft. Wir müssen uns daher schon jetzt überlegen, was wir mit Dosen machen, die in Deutschland am Ende vielleicht übrig sind.
Was wir brauchen, ist ein Vorgehen mit Weitsicht: Was passiert mit dem ACT-Accelerator-Programm? Wie verteilen wir Dosen von Europa in die Welt? Wie können wir auch in Zukunft Pandemien verhindern? Diese Fragen sollten wir als Europäische Union, eigentlich sogar als Weltgemeinschaft gemeinsam beantworten. Der Antrag ist hier ein erster Schritt in diese Richtung, denn er fordert die Bundesregierung dazu auf, global Verantwortung zu übernehmen. Lassen wir unsere europäischen Partner nicht im Stich oder verlieren sie an autokratische Staaten wie China oder Russland, die an den unterschiedlichsten Stellen versucht haben und weiterhin versuchen sich – erst mit Masken- und jetzt mit Impfstofflieferungen – die Solidarität anderer Länder zu erkaufen. Medizinische Forschung und Produktion muss mehr nach Europa zurückverlagert werden, zum einen damit Ausfälle globaler Lieferketten ausgeglichen werden können, zum anderen damit die Verantwortung, die wir als Europäer global haben, auch gerechter werden können.“