Dennys Bornhöft zu TOP 31 „Psychische Gesundheit in der Pflege stärken“
„Jede sechste Pflegekraft überlegt, aus dem Beruf auszusteigen, das berichtete vor einigen Wochen die überregionale Presse. Zeitgleich forderte ein bayerischer Ministerpräsident, dass Pflegekräfte zwangsgeimpft werden müssten, weil dort nicht die erhofften 80 Prozent ihre Impfbereitschaft gezeigt hatten. Wenn Begriffe wie #PFLEXIT, also der Aufruf zum Berufsausstieg, oder wie diese Woche #pflegteuchdochselbst in den sozialen Netzwerken durch Pflegende trenden, ist das ein sehr großes Alarmsignal. Da die Pflegekräfte coronabedingt nicht mehr vor dem Landeshaus demonstrieren können, verlagert sich auch dieser Protest ins Digitale. Der Unmut vieler Pflegekräfte über mittlerweile viele Dinge, die ihren Berufsstand betreffen, hat sich nicht gemindert, er äußert sich momentan nur anders.
Aber auch ganz individuelle widrige Umstände sind natürlich ein Grund, nicht nur etwa den Arbeitgeber zu wechseln, sondern einer Branche gänzlich den Rücken zu kehren. Solch ein widriger individueller Umstand ist die eigene Gesundheit, die mit das Wertvollste ist, das man haben kann. Er- schöpfung, Burn-out, Stress – nicht erst seit Corona leiden Pflegekräfte unter psychischer Belastung und Ausfallerscheinungen. Eine Studie, die an der Universität Augsburg im vergangenen Jahr durchgeführt wurde, bestätigt genau diesen Zustand: Die sowieso schon hohe psychische Belastung der Pflegekräfte ist durch die Sorge um sich selbst, die Familie und sonstige Angehörige, aber auch durch ein erhöhtes Infektionsrisiko und Arbeitsaufwand gestiegen. Pflegekräfte leisten Außerordentliches und sind entsprechend selbst außerordentlich hohen Belastungen ausgesetzt. Nahezu alle wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit diesem Thema verdeutlichen jedoch gleichermaßen, dass diese Krankheiten und Überarbeitungssymptome behandelbar – oder noch besser – vermeidbar sind.
Am besten wäre natürlich, Arbeitsbedingungen und eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die zu weniger Stress im Job führen. Das wäre Prophylaxe. Aber auch, wenn die Belastungsgrenze bereits überschritten ist, gibt es noch Möglichkeiten zur Linderung der Probleme. Das gilt beispielsweise für psychotherapeutische Behandlungen, um der Gefahr einer psychischen Erkrankung besser vorbeugen zu können oder eine bereits eingetretene Erkrankung rechtzeitig zu behandeln. Natürlich ist das aber nur Schadensbegrenzung und nicht die beste Lösung. Schließlich lässt sich eine hohe Arbeitsbelastung nicht durch Therapiegespräche verhindern. Betriebliches Gesundheitsmanagement ist daher nicht nur ein Buzzword, sondern muss insbesondere in personalintensiven Bereichen gelebt werden. Dies sollte umso mehr in Bereichen gelten, die selbst für die Gesunderhaltung anderer Men- schen verantwortlich sind. Dies hat auch der Bundesgesetzgeber so gesehen und beim
Pflegepersonal-Stärkungsgesetz Vorgaben für das Gesundheitsmanagement im Pflegebereich gemacht. Das Bundesgesundheitsministerium selbst schreibt, dass dafür 70 Millionen Euro jährlich von den Krankenversicherungen zusätzlich aufzuwenden sind. Zitat: ‚Der heute für diese Leistungen gesetzlich vorgesehene Mindestausgabewert in Höhe von 2,15 Euro jährlich je Versicherten wird auf 3,15 Euro erhöht. Damit erhält die betriebliche Gesundheitsförderung einen Schub, der mit gesunden, motivierten und zufriedenen Beschäftigten letztlich den Patientinnen und Patienten und den pflegebedürftigen Menschen zu Gute kommt.‘ Der Wortlaut für einen Euro mehr pro Jahr und Mensch erinnert mich irgendwie an die Bazooka-Rhetorik der Bundesregierung. Die Erhöhung um fast 50 Prozent klingt viel, es bleibt aber abzuwarten, wie sich dies in entsprechenden statistischen Erhebungen auswirkt. Da das Gesetz erst vor einem Jahr erlassen wurde, ist es noch zu früh, darüber abschließend zu urteilen – ich bleibe da eher skeptisch.
Ein funktionierendes betriebliches Gesundheitsmanagement ist auch ein Wettbewerbsvorteil um das knappe Fachpersonal. Des Weiteren sorgt es für weniger Krankentage, was wiederum die Dienstpläne verlässlicher macht, ein weiterer Vorteil für Belegschaft und Arbeitgeber. Auch wenn wir heute primär über die psychische Gesundheit in der Pflege sprechen, ist die physische Gesundheit bei dieser schweren körperlichen Arbeit nicht zu unter- schätzen; in Teilen kann sich beides auch gegenseitig bedingen oder gar verstärken. Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln, die z.B. beim Heben der Patienten unterstützen, kann Rückenschmerzen vermeiden und Nerven sparen. Dass auch Robotik hier einen Beitrag leisten kann, haben wir zu Beginn dieser Legislaturperiode bereits im Landtag besprochen. Ganz wichtig natürlich: nicht um Personal zu ersetzen oder zu reduzieren, sondern um das Bestandspersonal zu schützen. Lassen Sie uns daran arbeiten, die rechtlichen und finanziellen Bedingungen im Sinne der Gesundheit und der Berufszufriedenheit in der Pflege zu stärken.“